Bin beim Aussortieren meiner alten profil-Hefte über einen Artikel von Doris Knecht gestolpert. Und ich hab ihn sehr genossen ;-)
Ein paar Ausschnitte:
Diese alte neue Plage begegnet uns in jüngster Zeit wieder öfter: Frauen, die im Kreißsaal alle ihre Bedürfnisse gegen ein personifiziertes Bedürfnis, ihr Neugeborenes, eintauschen und sich selbst fortan nur mehr als Erfüllungsgehilfinnen einer Biografie sehen: nicht ihrer eigenen, sondern der ihrer Kinder.
Entschuldigung: Wo sind wir angekommen? Wofür haben wir rebelliert, studiert, sexuelle und zwischenmenschliche Möglichkeiten probiert und debattiert, mit diversen Suchtmitteln experimentiert, Ausbildungen absolviert, uns emanzipiert – um am Ende doch wieder Doris Day zu werden? Sollte es nicht darum gehen, Wege zu finden, die eine gewisse Lässigkeit der Mutterschaft in der modernen Arbeitsgesellschaft ermöglichen?
Der Still-Terror ist ein perfektes Beispiel dafür, wie Frauen wieder willig sind, ihre Unabhängigkeit für das Wohl des Kindes zu opfern: Denn was als konsumkritische Rückbesinnung auf natürliche Säuglingsernährung begann, hat sich zu einer Ideologie mit totalitären Zügen ausgewachsen.
Ja, Kinder zu haben ist großartig, auch weil sie einen dazu zwingen, eine Perspektivenänderung vorzunehmen und die Welt aus einem Blickwinkel zu sehen, der einem als selbstkontrollierte und berufsfokussierte Frau sonst entgeht. Wenn man dann Kinder kriegt, geht man, um in ihre Augenhöhe zu kommen, automatisch in die Hocke, und schau an: Von da sieht die Welt ganz anders aus. Lustig. Kuschelig. Übersichtlich. Das Problem ist nur, dass viele Mütter aus dieser Hocke nie wieder hochkommen. Und auch nicht wollen: Es ist doch herrlich, Mutter, nur Mutter zu sein. Muss man unbedingt mehr wollen? Ein bisschen ideologische und intellektuelle Genügsamkeit kann doch niemandem schaden?
Nun ja.
Doris Knecht, Profil 45/2005